Haushaltsrede 24. Mai 2016 – Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Bürgermeisterin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

 

beim Lesen eines Haushaltsentwurfs kann man eine Menge über eine Stadt erfahren und staunen. Der Haushalt ist auch ein Reiseführer in Zahlen durch die eigene Stadt.

Es gibt Ausgaben, die naheliegend sind, wie die für Schulen und Straßen. Viel Geld wird aber auch im Boden vergraben. Die zunehmende Versiegelung des Bodens z.B. hat hohe Investitionen im Bereich der Abwasserbeseitigung zur Folge. Rund 100.000€ kostet in 2016 allein der Strom für das Weiterleiten von Regenwasser, das sonst einfach versickern würde, dazu 400.000€ die jährliche Reinigung der Regenrückhaltebecken, 70.000€ für den verrohrten Bachemer Bach.

Manches darf oder muss hinterfragt werden: Werden wir in diesem Jahr wirklich 30.000€ für Schmutzfangmatten in öffentlichen Gebäuden ausgeben? Was sind „sonstige BGA“, „sonstige Geschäftsaufwendungen“, „Erträge aus Zuschreibungen“? Auffällig auch, dass die Aufwendungen für Abschleppkosten höher sind als die Erträge. Aber klar, die Stadt muss sich kümmern, wenn jemand sein Auto unrechtmäßig auf unseren Straßen entsorgt und nicht belangt werden kann. Eine Stadt wie Frechen hat viele Aufgaben.

 

Doch erst ein Blick auf das vergangene Jahr 2015:

Das Jahr 2015 war für uns Grüne besonders geprägt durch das Scheitern der Gesamtschule. Das Thema Gesamtschule beschäftigte unsere Fraktion in den 2, 3 Jahren davor intensiv. Wir waren und sind der Meinung, dass eine so bedeutende Stadt wie Frechen ein erweitertes Schulangebot haben muss. Die Gelegenheit war noch nie so günstig wie im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, dass die Anmeldezahlen der Hauptschule drastisch zurückgehen werden.

 

Ein Gebäude stand daher auch schon zur Verfügung. Dem in der Befragung überdeutlich geäußerten Elternwillen folgend hätten auch Frechener Kinder die Möglichkeit erhalten können, an einem sehr ausdifferenzierten Schulsystem Abschlüsse bis hin zum Abitur zu machen.

Aber: Es zeigte sich, dass die Eltern der Gesamtschule plötzlich doch skeptisch gegenüber standen. Dabei waren die Informationsabende zur Gesamtschule von großzügig eingeräumten Darstellungen der bestehenden Frechener Schulen geprägt. Viel Raum und viel Redezeit wurde den bestehenden Schulen eingeräumt, Ängste der Eltern geschürt, dass durch die Räumlichkeit Hautschule die Kinder von dem nicht so guten öffentlichen Ruf der Schulform negativ beeinflusst würden.

Doch hier ist die Chance vertan worden, die guten Angebote der Hauptschule, den Umgang mit Migranten, Unterrichtsangebote für Schwächere, Hinführung zur Berufswelt sowie Kontakte mit Frechener Firmen in das Konzept für eine neu zu errichtende Gesamtschule einfliessen zu lassen. Aus bildungs- und gesellschaftspolitischer Sicht finden wir das höchst bedauerlich. Keine Schulform ist so geeignet, die Offenheit der Gesellschaft zu fördern. Wir geben nicht auf, die Bildungslandschaft in Frechen in den nächsten Jahren diesbezüglich zu verbessern.

 

Auch die Realschule sollte in der Folge zahlenmäßig entlastet werden. Die Chance, dass dadurch Platz für bauliche Veränderungen auch auf dem Gelände der Realschule entstanden wäre, ist nun erstmal vertan. Auch für den Haushalt ist das bedauerlich, denn nun muss wieder mit Containern Abhilfe geschaffen werden, was überhaupt nicht nachhaltig ist.

 

Das Haushalten ist 2016 noch schwieriger geworden in Frechen. Die Steuereinnahmen sind gesunken. Die Personalkosten dagegen sind gestiegen durch höhere Tarifabschlüsse, aber auch mit der Einrichtung von 15 neuen Stellen bei Feuerwehr und Rettungsdienst, vorgegeben durch den neuen Rettungsdienstbedarfsplan des Rhein-Erft-Kreises.

Der Kreis fordert zu viel Kreisumlage, eine Reihe von Städten im Kreis steht schon im Haushaltssicherungskonzept!

 

Ein weiterer Posten sind die Kosten für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge. Bedeutende Investitionen stehen im Schulneubau und für den Bau der neuen Feuerwache an. Wie sollen wir mit diesem Problem umgehen? Die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben senken?

Bei den Ausgaben können wir kurzfristig nur freiwillige Leistungen der Stadt kürzen, die nicht vertraglich festgelegt sind. Die Ausgaben zu senken bedeutet in der Regel, dass Qualitätsstandards sinken. Weniger Personal, kürzere Öffnungszeiten, verzögerte Bearbeitung, Verschieben von Sanierungen unserer Schulen, Spielplätzen und Straßen, weniger Reinigung, schlechtere Ausstattung von Schulen und Kitas, größere Gruppen…

 

Wenn unsere Einnahmen zurückgehen, müssen wir entweder unsere Ausgaben entsprechend senken oder zwangsläufig die Bürger stärker an den Kosten beteiligen. Zur Erhöhung der Einnahmen gilt allgemein die Faustformel: Gebühren vor Steuern vor Schulden.

 

Welche Gebühren können wir in Frechen überhaupt erhöhen?

Der von der Verwaltung vorgelegte Entwurf sah drastische Erhöhungen der Gebühren für die Betreuung in Kindertagesstätten und Offenen Ganztagsschulen vor, dazu auch die vollständige Rücknahme der Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder.

Das finden wir politisch falsch!

Wir halten die frühkindliche Bildung und den regelmäßigen Austausch der Kinder untereinander schon im Kindergarten für sehr wichtig.

Eltern -besonders von kleinen Kindern- sind herausgefordert, wenn sie Kindererziehung und Geldverdienen unter einen Hut bringen möchten. In dieser Zeit brauchen sie verstärkt unsere Unterstützung.

Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass Kinder aus Kostengründen von der Kita abgemeldet werden.

 

Aber ich muss auch feststellen, dass in den letzten Jahren die Leistungen der Stadt Frechen in diesem Bereich enorm gestiegen sind! Noch vor rund 15 Jahren gab es in ganz Frechen insgesamt nur sieben Kitaplätze für Kinder unter 3 Jahren. Für Dreijährige musste man einen Platz erkämpfen. Die Kitas machten Pause von 12.00 bis 14.00. Viele brachten ihr Kind nachmittags dann gar nicht mehr. Heute sind die Öffnungszeiten der Kitas deutlich familiengerechter.

 

Unsere Bachemer Grundschule hatte eine Betreuung nur für 20 Kinder und das nur bis 13 Uhr. Heute bietet sie 130 Plätze bis 16.00 Uhr und ein warmes Mittagessen.

Die Stadt hat viel getan in diesem Bereich: Sie hat Kitas vergrößert, zusätzliche Einrichtungen und Gruppen gebildet und sie baut drei Grundschulen neu bzw. um.

 

Bei ihrer Einführung betraf die Beitragsfreiheit für Geschwister faktisch nur wenige Eltern, da nur wenige zwei Kinder (im Alter von 3-6) gleichzeitig im Kindergarten hatten. Heute, mit der Ausweitung auch für jüngere Kinder und dem Ausbau für Kinder im Grundschulalter, gibt es umgekehrt nur noch wenige Eltern, die nicht vom Geschwisterrabatt profitieren können oder konnten.

 

Dass die Beschäftigten der Kitas nach den Tariferhöhungen ein höheres Einkommen erhalten, finden wir richtig. Aber die insgesamt steigenden Personalkosten werden für die Stadt zunehmend zum Problem.

 

Wir wollen die erreichten Qualitätsstandards der Kinderbetreuung unbedingt erhalten! Wenn nicht mehr Unterstützung von Land und Bund kommt, werden wir daher in den kommenden Jahren eine moderate Beteiligung der Eltern an den steigenden Kosten voraussichtlich nicht vermeiden können.

 

Für die Nutzung der Sporthallen durch Vereine erheben wir weiterhin keine Gebühren. Die Sportvereine mussten im vergangenen Jahr schon starke Einschränkungen hinnehmen, da mehrere Hallen für die Flüchtlingsunterbringung genutzt wurden.

 

Im Verhältnis dazu ist die Schwimmförderung ein kleiner Posten, aber wichtig für Kinder und Jugendliche, die zu uns kommen und noch nicht schwimmen gelernt haben.

 

Wir müssen aber auch weiter investieren. Geschafft haben wir eine Menge für Fußgänger und Radfahrer! Für ihre Verkehrsnetze muss ein angemessener Qualitätsstandard erst noch erreicht werden. Der neue Verkehrsentwicklungsplan wird einen Paradigmenwechsel darstellen! Endlich einmal werden die Bedürfnisse der Radfahrer und Fußgänger in den Blick genommen. Langsam, aber spürbar findet ein Umdenken statt, weg von der autogerechten Stadt hin zu einer Stadt, die den Stadtraum wieder stärker den Menschen zur Verfügung stellt. Wir wollen, dass Schulkinder sicher zu Fuß gehen können. Dass Eltern auf die Sicherheit des Schulweges vertrauen können. Dass die Schulradwege von allen Teilen der Stadt zu den weiterführenden Schulen lückenlos funktionieren. Und dass auch Pendler, die mit dem Fahrrad fahren, sicher und gut vorankommen können.

Für die sukzessive Umsetzung des Plans wollen wir sowohl Geld einplanen, als auch Fördergelder beantragen.

 

Für den Ausbau des ÖPNV haben wir in diesem Jahr dagegen kein zusätzliches Geld eingestellt, weil wir einen Schwerpunkt beim Radverkehr setzen wollen. Investitionen in den Radverkehr sind im Verhältnis zum Nahverkehr wesentlich effizienter und umweltpolitisch wirksamer.

Und ja, ein technisches Dezernat einzurichten, wäre auch unser Wunsch. Dafür lässt sich u.a. anführen, dass wir in den nächsten Jahren ein großes Bauvolumen haben und Verzögerungen leicht zu hohen Extrakosten führen. Da wollen wir im Gespräch bleiben.

 

Die Baumersatzpflanzungen wurden in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt. Wir mussten erfahren, wie teuer und schwierig dieses Unterfangen ist. Über die Zuordnung von Kosten zu Haushaltsprodukten kann man sich streiten: Gehört die Entfernung von Baumstümpfen zur Neupflanzung? Es ist aber unsere Aufgabe, den Baumbestand der Stadt Frechen dauerhaft zu erhalten.

 

Mit dem Klimaschutz sind wir auch ein Stück vorangekommen, Frechen hat die Förderung einer Einstiegsberatung bewilligt bekommen. Wenn die Ergebnisse feststehen, wollen wir daran gezielt weiterarbeiten. Wir gehen davon aus, dass wir besonders im Gebäudebereich wesentliche Einsparpotentiale finden können, die gleichermaßen dem Klima wie auch unserem Haushalt nutzen. Unsere Nachbarstadt Hürth geht diesen Weg bereits sehr erfolgreich.

 

Der Erhöhung von Steuern und auch der Gebühren der Musikschule stimmen wir nicht gerne zu. Zur Vermeidung höherer Kitagebühren und als Rettung vor dem Haushaltssicherungskonzepts sehen wir uns aber gezwungen, sie zu akzeptieren.

 

Frechen ist nicht Mondorf. Das Konzept von Mondorf, durch Gewerbesteuersenkung neue Einnahmen zu generieren, funktioniert in Frechen nicht. Dazu fehlen uns die entsprechenden Gewerbeflächen. Aber auch die Anhebung der Gewerbesteuer funktioniert nur begrenzt, weil sonst Betriebe abwandern, die wir natürlich halten wollen. Mit einem Hebesatz von 490 Punkten in 2017 werden wir uns im Mittelfeld des Rhein-Erst-Kreises befinden.

Mit der Anhebung der Grundsteuer A und B wollen wir die Belastungen auf viele Schultern verteilen, sie trifft alle, je nach Größe von Haus oder Wohnung unterschiedlich stark.

 

Wir müssen diese schwierigen Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Tun wir nichts, droht das Haushaltssicherungskonzept mit weitreichenden Kürzungen. Wenn wir weniger investieren, leben wir weiter von der Substanz, und die nachfolgenden Generationen müssen dafür einstehen. Darum tragen wir als Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen diesen Haushalt mit!

 

Ich wünsche uns allen eine gute Zusammenarbeit, gute Entscheidungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Frechens und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!