Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrter Verwaltungsvorstand, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger,
lassen Sie mich zunächst einmal herzlich Danke sagen der Verwaltung für die Aufstellung dieses Haushaltes.
Insbesondere Ihnen, sehr geehrte Frau van Cleef! Sie präsentieren heute erstmalig in ihrer Funktion als Kämmerin einen Haushalt für unsere Stadt.
Wir danken Ihnen für den offenen Austausch im Vorfeld der Haushaltsberatungen und für Ihre Bereitschaft, uns alle gewünschten Informationen zur Verfügung zu stellen.
Es ist heute meine zweite Haushaltsrede. Und, meine Damen und Herren: Dieses Jahr fällt mir die Haushaltsrede schwerer als 2023.
Ich fürchte, ich bin ein Gutteil resignierter und pessimistischer geworden als vor einem Jahr.
Dafür sind sicherlich auch die politische Situation in der Welt und die zahlreichen Bedrohungslagen mit verantwortlich. Ich kann aber meine persönliche Katerstimmung auch ganz konkret an der Stadt Frechen festmachen. Bei einem Rückblick auf die Kommunalpolitik des vergangenen Jahres frage ich mich: Was haben wir alle gemeinsam in und für Frechen in 2023 erreicht?
Und die Antwort fällt mir schwer.
Ich nehme das letzte Jahr in für uns zentralen politischen Bereichen als ein Jahr des Stillstandes wahr – fast der Agonie. Der bauliche und infrastrukturelle Zustand der Schulen ist weiter zum Teil katastrophal. Insbesondere für die Realschule und die Burgschule konnten wir keine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation erreichen.
Für das Gymnasium steht der erhöhte Mehrbedarf an Räumen für das kommende Schuljahr fest – dennoch wird die Vergrößerung des Gymnasiums zum Sommer 2024 um zehn Klassenräume im Modulbau in diesem Jahr noch nicht angegangen.
In Bedburg, gleich nebenan, wird ein gut funktionierendes Schulsystem als ein Standortvorteil für die Ansiedlung von Microsoft genannt. Bei uns platzt derweil das hiesige Gymnasium aus allen Nähten. Darüber hinaus fehlen bereits in diesem Sommer eine Grundschule, im nächsten Sommer eine weiterführende Schule.
In Bezug auf den Strukturwandel gibt es auch kein wirkliches Vorankommen.
Gleiches gilt für die Grube Carl.
Aus der Innenstadt ziehen die Einzelhändler weg. Von der Schließung des für Frechen wichtigen Publikumsmagneten H & M erfahren wir erst, nachdem das Unternehmen seine Entscheidung bereits getroffen hat. Gleiches gilt für den Beschluss der Firma Rewe, den Standort in der Innenstadt zu schließen.
Bis heute sind viele geflüchtete Menschen in Turnhallen untergebracht. Alle Bemühungen, die geflüchteten Menschen unterzubringen, müssen mehr als Versuch einer „Behausung“ angesehen werden, als der einer menschenwürdigen Unterbringung. Nicht zuletzt befinden sich alle neu hinzugewonnenen Standorte fernab von urbanem Leben und erschweren die Integration mit ihrem tristen ungastlichen Setting.
Bereits 2022 haben wir die Entwicklung von Flüchtlingsunterkünften gefordert und es passierte nichts.
Während in anderen Kommunen Flüchtlingsunterkünfte beispielsweise in unterschiedlichen Modularen Systemen entstanden sind, werden bei uns bei weiter gestiegenem Handlungsdruck jetzt übereilte Entscheidungen mit erheblichen finanziellen Risiken getroffen.
- Das Motel24 hat man gekauft, ohne es im Vorfeld des Vertrages von innen zu besichtigen. Bis heute konnte dort angesichts der dann notwendigen Instandsetzungsarbeiten noch niemand untergebracht werden.
- Der Anmietung des Bordells wurde seitens der Ratsmehrheit zugestimmt, ohne zu wissen, wie die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Bordellbetreiber im Einzelnen aussehen.
Und ja! Man kann sagen, dass wir hier in Frechen mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben, die alle Kommunen in gleicher Weise betreffen.
Und ja! Man kann sagen, dass erhebliche globale Probleme auf uns einwirken, auf die wir keinen Einfluss haben.
Was ich aber weiter als sehr problematisch erachte und mir inzwischen auch als sehr frechen-spezifisch erscheint: Ich erkenne nicht das Bemühen um eine nachhaltige proaktive Strategie.
Nach meinem Eindruck wird die politische Arbeit ausschließlich durch die sachlichen Zwänge determiniert. Ich habe den Eindruck, dass es nur gilt, Löcher zu stopfen.
Die Pflichtaufgaben halten die Verwaltung in Atem und wir stehen kontinuierlich mit dem Rücken zur Wand. Wir kommen nicht mit Ideen und Plänen vor die Welle. Die Lebenswirklichkeit bestimmt situativ, wie die politische Agenda aussieht.
Und diese reaktive Haltung liest sich auch ganz konkret aus dem vorliegenden Haushalt.
Der Haushalt bildet sicherlich die haushaltsrechtliche Lebenswirklichkeit korrekt ab.
Und auch dem großen Teil aller in diesem Jahr gestellten Haushaltsanträge ist erst einmal nichts entgegenzuhalten. Die meisten sind vernünftig und sicherlich von gutem Willen getragen. Gegen die niemand etwas haben kann. Auch wir begrüßen beispielsweise die Erhöhung des Etats für Wohnraum, Schulsozialarbeit oder die Sportförderung.
Problematisch wird jedoch der Haushalt für uns an der fehlenden strategischen Ausrichtung und damit auch an den Stellen, wo er keine Budgets vorsieht. Wir Grünen haben uns in diesem Jahr bewusst mit unseren Haushaltsanträgen beschränkt. Wir haben Schwerpunkte gesetzt.
Wichtigstes Ziel war es dabei, dass die Themen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in Frechen die gebotene Priorität bekommen. Und gleichwohl. Wir sind mit unseren Anträgen nicht durchgedrungen. Es wird in den nächsten zwei Jahren kein verbindliches integriertes Klimaschutzkonzept für Frechen geben. Baumersatzpflanzungen werden wie bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Wir sind am Ende eines Winters, in dem wieder alle Temperaturrekorde gebrochen wurden. Erstmals wurde die 1,5 Grad Grenze gerissen. Und es sollte allen klar sein, dass von uns allen schnelles Handeln gefordert ist.
Jedoch: Die Erstellung eines integrierten, bereichsübergreifenden Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungskonzeptes hier vor Ort wird abgelehnt – unter anderem mit dem Verweis auf den nicht leistbaren personellen Aufwand.
Viele Nachbarkommunen stehen inzwischen dafür ein, alsbald klimaneutral sein zu wollen, und können ganzheitliche Strategien präsentieren.
In Frechen ist das nicht gewollt. Wir werden hier weiter auf Sicht fahren.
Das ist für uns mal wieder eine schockierende Erkenntnis.
Eine weitere Fehlanzeige in diesem Haushalt findet sich mit Blick auf das Schulwesen. Der im letzten Jahr vorgelegte Schulentwicklungsplan hat unter anderem gezeigt, dass wir dringend neben der ebenfalls in den kommenden Jahren benötigten weiterführenden Schule schon in diesem Sommer eine weitere Grundschule benötigen.
Diese Grundschule – das steht für die Ratsmehrheit und die Verwaltung fest – muss auf Gedeih und Verderb ein privater Investor bauen.
Hierzu gibt es keinen Plan B! Hierzu gibt es keine Wirtschaftlichkeitsberechnung! Keine Überlegungen im Vorfeld, was für die Stadt Frechen im Rahmen von Vertragsverhandlungen die roten Linien sind.
Während in anderen Kommunen von dem ÖPP-Modell mit Blick auf die hohen Kosten schon Abstand genommen wird, wird in Frechen im heute zu beschließenden Haushalt für einen möglichen Eigenbau erst gar keine Rücklage gebildet.
Man geht für alle sichtbar davon aus: Der eigentliche Bau der Schule wird und darf die Stadt nichts kosten.
Dem Investor diese Verhandlungsposition einzuräumen – ihm so offenkundig zu zeigen, dass man keine Alternativen hat und gezwungen ist, alle nur erdenklichen Zugeständnisse zu machen, halten wir für unverantwortlich. Es wird damit einem Vertrag Tür und Tor geöffnet, der die nachfolgenden Generationen noch auf Jahrzehnte belasten wird.
Und so kommen wir vor diesem Hintergrund zu dem Schluss:
Dass Sie auch in diesem Jahr im Rahmen der Aufstellung des Haushaltes unserem Wunsch nach einem Budget für ein Klimaschutzkonzept für Frechen sowie für weitreichende Baumersatzpflanzungen nicht nachgekommen sind, ist die eine Sache.
Die andere: Das fehlende Budget für den Bau einer Grundschule – für eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der kommenden Jahre hier in Frechen – halten wir für einen gravierenden Mangel.
Beide Aspekte sind für die Grünen der Stadt Frechen überaus bedeutsam. So bedeutsam, dass wir uns bei der Abstimmung über diesen Haushalt enthalten werden. Denn er wird aus unserer Sicht wesentlichen Herausforderungen für die Zukunft unserer Stadt nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.