Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
erlauben Sie mir, Sie auf eine kleine Reise weit weg von Frechen mitzunehmen. Keine Sorge, wir werden schneller zurück sein als Sie vielleicht vermuten:
Vor sechs Monaten brach in der Antarktis vom Larsen C-Eisschelf ein Stück von der Größe des Ruhrgebiets ab; eine Billiarde Tonnen schwer zählt es zu den größten je beobachteten Eisbergen. Im vergangenen Jahr haben sich mit Harvey, Irma, Maria drei Hurrikans der höchsten Stufe ereignet mit vielen Todesopfern und Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe. Hurrikans nehmen mit der Erwärmung der Meere zu. In Deutschland hatten wir erhebliche Ernteausfälle, und die Anzahl der Hitzetage steigt.
In 2017 hat der Klimawandel durch die Jamaika-Sondierungen und die Weltklimakonferenz in Bonn hierzulande mehr Aufmerksamkeit in den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit bekommen. Dennoch werden die Erkenntnisse zum Klimawandel und der Ernst der Lage zu wenig beachtet. Ob die künftige Bundesregierung wirksamen Klimaschutz durchsetzt und damit vielleicht doch noch die Einhaltung der vereinbarten Klimaschutzziele für das Jahr 2020 erreicht, bleibt abzuwarten. Es ist aber zu bezweifeln.
Klar ist: Das Zeitfenster für menschliches Handeln ist kurz. Ein Kipppunkt des Klimasystems mit selbstverstärkender Wirkung wird bei 450ppm angenommen. Um diese Chance auf Schadensbegrenzung zu nutzen, muss im Jahr 2020 der maximale Co2-Ausstoß erreicht und die Welt 2070 emissionsfrei sein. Als Daumenregel muss dazu der Klimagasausstoß in jeder Dekade halbiert werden[1].
Auch bei uns. Im Schnitt verursacht jede Bürgerin und jeder Bürger Frechens pro Jahr einen CO2-Ausstoß von 11 Tonnen; das Ziel des Weltklimarats liegt für 2050 bei 2 Tonnen[2].
Wenn man diese Erkenntnisse nah an sich heranlässt, ist das sehr beunruhigend. Im globalen Vergleich werden wir vordergründig weniger betroffen sein als die Fidschi-Inseln oder Bangladesch. Konsequenter Klimaschutz ist darum das größte und dringlichste ökologische und soziale Projekt dieses Jahrhunderts. Denn auch wir in Frechen werden die Zunahme an Hitzewellen, Starkregenereignissen und eine Verschlechterung des Trinkwassers zu spüren bekommen. Wenn zunehmend Menschen durch den Klimawandel ihre Heimat verlieren, müssen wir auch von einer weiteren Zunahme der Anzahl der Flüchtlinge ausgehen. Seit 2015 wissen wir, was das bedeutet, menschlich und finanziell.
Warum ist es so schwierig, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel ein dem Risiko angemessenes eigenes Verhalten und politisches Handeln abzuleiten? Wir alle wollen es weiterhin im Winter gerne warm haben, bequem von A nach B fahren und konsumieren, was uns gefällt. Dabei wissen wir, dass wir uns diesen Lebensstandard auf Kosten der Umwelt, anderer Menschen und nachfolgender Generationen leisten.
Wir haben die äußerst schwierige, aber auch spannende Aufgabe, unsere Gesellschaft innerhalb von zwei Generationen vollständig in ein nachhaltiges System umzuwandeln, also ein neues gesellschaftliches Lebensmodell zu schaffen, das unsere Bedürfnisse befriedigt und dabei global stabil ist. Technischer Fortschritt, wie in der Energiegewinnung und der Antriebstechnik, schafft dafür die Voraussetzungen. Mit durchaus angenehmen Nebeneffekten: Mit der Elektromobilität wird es in unseren Städten leiser und die Luft besser. Man wird auch an stark befahrenen Straßen angenehmer leben können. Wir alle sind gefordert, dieses nachhaltige Lebensmodell gemeinsam zu entwickeln und den Weg dahin zu gestalten!
Rat und Verwaltung sind dazu in Frechen erste Schritte gegangen:
Die Einstiegsberatung zum Klimaschutz für unsere Verwaltung
– die Erarbeitung der Klimaschutzteilkonzepte „Verkehr“ und „energetische Quartiersentwicklung“
– sukzessive Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED
– die gemeinsame Erarbeitung eines umfangreichen Verkehrsentwicklungsplan mit Vorrang für den Fuß- und Radverkehr
– die Ansiedlung eines Car-Sharing-Unternehmens
– E-Ladestationen in Zusammenarbeit mit innogy SE für Fahrräder und PKWs
sind wichtige erste Schritte. Weitere müssen folgen. Klimaschutzinvestitionen werden sich mittel- und langfristig auch rechnen!
Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Klimaschutzberatung sollen bei allen Investitionen Beachtung finden. Noch befinden wir uns hauptsächlich auf der Planebene. Wir wollen nun bald für die Bürgerinnen und Bürgern die umweltfreundliche Mobilität angenehmer, schneller und sicherer machen. Der barrierefreie Umbau des Busbahnhofs und die Errichtung von Radverkehrsanlagen in der Dr. Tusch-Straße werden ein wichtiges Etappenziel darstellen. Aber auch die dringend benötigten Verbesserungen für den Fahrradverkehr im übrigen Stadtgebiet müssen zügig umgesetzt werden!
Wir können uns nicht damit zufriedengeben, dass der Haushalt am Ende des Jahres deswegen besser dasteht, weil die Personalkapazität der Verwaltung nicht ausreicht, beschlossene Projekte umzusetzen. Ob eine zusätzliche Dezernentenstelle hilft, wenn Planerstellen noch nicht besetzt sind, ist für uns nicht eindeutig zu beantworten. Durch eine externe Beratung soll eine Lösung für dieses Problem gefunden werden.
Um die Verluste an Straßenbäumen der vergangenen Jahre aufzuholen, sollen auch im kommenden Jahr gut doppelt so viele Bäume gepflanzt werden, wie voraussichtlich abgängig sein werden. Wir wollen diese Rate verstetigen!
Auch wir sind für Investitionen in die digitale Infrastruktur. Die digitale Entwicklung hat viele Vorteile. Unsere Bürgerinnen und Bürger und die Frechener Unternehmen sollen keine Wettbewerbsnachteile haben. Wir sehen aber auch die Kehrseite der Medaille, wie die Veränderungen für den Einzelhandel und den Arbeitsmarkt.
Wir erleben ein enormes Wachstum unserer Stadt und müssen sehen, wie wir dem gerecht werden können. Die Stadtentwicklung Frechens sollte Fehler der Vergangenheit vermeiden und korrigieren, wo es noch möglich ist. Wir wollen genügend Wohnraum zur Verfügung stellen, auch für den sozialen Wohnungsbau. Wir sind auch stolz darauf, in einer Stadt zu leben, die attraktiv für Neubürger ist. Wir stehen im Wettbewerb mit den anderen Städten in der Wachstumsregion an der Rheinschiene. Wir investieren enorm in unsere Schullandschaft. Die jungen Familien, die wir jetzt gewinnen können, halten Frechen auch in Zukunft attraktiv. Gleichzeitig wollen wir wertvolle Freiräume für die Natur und die Naherholung erhalten und unsere wertvollen und fruchtbaren Böden nicht unnötig versiegeln. Aber Wohnraumverknappung führt zu steigenden Mieten und unsozialer Verdrängung, die wir vermeiden wollen. Weiterhin gilt deswegen maßvolle Verdichtung als Maßgabe, durch vorrangige Entwicklung des Innenstadtbereichs vor der Erschließung neuer Siedlungsbereiche. Wir sollten in Frechen lieber städtischer werden und dafür die letzten Freiflächen erhalten. Andererseits müssen wir die Stadtentwicklung so lenken, dass wir unsere Infrastruktur, die Kindergärten und Schulen nicht überfordern. Vor größeren Siedlungsvorhaben muss eine realistische Folgekostenberechnung durchgeführt werden, die auch die weiterführenden Schulen und eine attraktive ÖPNV-Anbindung miteinschließt. Die Versorgung mit Schulraum muss vor weiteren Siedlungsvorhaben geklärt sein. Eine Erweiterung der Siedlung Grube Carl ohne deutliche Verbesserungen bei der Nahversorgung und beim öffentlichen Nahverkehr lehnen wir ab.
Wir verfolgen die Entwicklung des Rahmenplans Innenstadt mit großem Interesse und Engagement. Auch die Entwicklung der anderen Stadtteile ist wichtig und für unseren Zusammenhalt von Bedeutung. Aber wir dürfen bei allem, was wir vorhaben, nicht aus den Augen verlieren, was wir gemeinsam mit der Verwaltung umsetzen können. Wir müssen Prioritäten setzen. Wir wollen das Wachstum der Stadt klimaschonend gestalten und dazu einen Masterplan in Auftrag geben, der die Entwicklungspotentiale der Stadt Frechen in einen zeitlichen und finanziellen Rahmen bringt.
Abschließen möchte ich mit einem besonderen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Sie haben mit den oft sehr umfangreich aufbereiteten Ratsvorlagen unsere Arbeit sehr unterstützt. Sie haben sich auch auf den Weg gemacht, unserem Wunsch nach mehr Transparenz des Haushalts zu entsprechen.
Herzlich danken möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen der Ratsfraktionen für die gute Zusammenarbeit und die anregenden Diskussionen.
Unterm Strich sehen wir die Entwicklung der Stadt und des Haushalts positiv. Mit den Investitionen in die Schullandschaft holen wir die Versäumnisse der Vergangenheit sukzessive auf. Mit der neuen Feuerwache konnte eine sehr große Investition erfolgreich abgeschlossen werden. Erste wichtige Schritte zum Klimaschutz sind wir gegangen. Wir Grünen wollen diesen Weg mit unseren Koalitionspartnern weitergehen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit auch im neuen Jahr fortsetzen – zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger.
[1] www.pik-potsdam.de
[2] www.stadt-frechen.de/medien/bindata/umweltschutz/Ergebnisdokumentation_Einstiegsberatung.pdf